Internationalen Rückfallstudien lassen kaum Zweifel daran, dass das Ziel einer Reduzierung der Rückfälligkeit von Straftätern und weiterer Opfer erreicht werden kann, wenn....


• auf den Täter und Tat bezogen vorgegangen wird
• die Intensität der Maßnahme auf das Rückfallrisiko abgestimmt wird
• auf die Ursachen der Kriminalität fokussiert wird
• (sub-)kulturelle oder kognitive Fähigkeiten berücksichtigt werden und insbesondere kognitiv-behaviorale Methoden eingesetzt werden.


Das BPS-R versucht, den Anforderungen aus der internationalen Forschung gerecht gerecht zu werden.


Für das BPS-R wie für andere Behandlungsmaßnahmen gilt aber, dass der Nachweis der Wirksamkeit unter den in Deutschland bestehenden Rahmenbedingungen aus mehreren Gründen nur sehr schwierig zu erbringen ist:

• Das ideale Forschungsdesign sind kontrollierte Studien, in denen durch Zufallsauswahl zusammengestellte Gruppen behandelter Täter mit unbehandelten verglichen werden. Dies ist ethisch und rechtlich in Deutschland nicht vertretbar, weil jeder, bei dem eine Mindeststrafdauer von zwei Jahren besteht und bei dem Behandlungsbedürftigkeit festgestellt worden ist, entweder in eine psychiatrische Klinik einzuweisen (§ 63 oder 64 StGB) oder in eine sozialtherapeutische Einrichtung zu verlegen ist (§ 9 StVollzG oder Landesgesetze). Diese Einrichtungen sind zur Behandlung verpflichtet. „Echte“ Kontrollgruppen stehen deshalb nicht zur Verfügung.

• Selten kommt eine Behandlungsmaßnahme (z.B. das BPS-R) als Einzelmaßnahme in Betracht, wie etwa im normalen Strafvollzug. In der Regel arbeitet eine Therapieeinrichtung mit einer integrativen Vorgehensweise, in der u.a. mehrere Einzel- und Gruppenmaßnahmen, die Gestaltung des therapeutischen Milieus, Bildungsmaßnahmen, Entlassungsvorbereitungen als entscheidende Wirkfaktoren angesehen werden. Der Anteil einer einzelnen Intervention auf die Rückfälligkeit ist kaum zu erbringen.

• Rückfallzahlen müssen nach einer aussagekräftigen Erprobungszeit außerhalb der therapeutischen Einrichtung erhoben werden. Üblicherweise wird ein Bewährungszeitraum von mind. 5 Jahren untersucht. Es liegt auf der Hand, dass die Einflüsse nach der Entlassung in dieser Zeit (z.B. Qualität der Nachsorge, soziale Einbindung oder berufliche Integration) eine gewichtige Rolle spielen. Diese Einflüsse müssten für eine fundierte Aussage mit untersucht werden.

Weiterführend ist in dieser Situation eine Forschungstätigkeit, die daraus ausgerichtet ist, Behandlungseffekte sichtbar zu machen, von denen ein Zusammenhang zur Rückfallwahrscheinlichkeit erwartet werden kann, z.B. bei Einstellungen zur Tat und den Tatfolgen oder Persönlichkeitsmerkmalen. Problematisch dabei ist, dass es bislang nur wenige Erhebungsinstrumente gibt, die für die Zielgruppen entwickelt und erprobt worden sind. Hilfreich erscheint auch die Evaluation der Praxistauglichkeit einer Behandlungsmethode, die Mitarbeitsbereitschaft der Teilnehmer und Auswirkungen dieser Arbeit auf die Praktiker.

Hinsichtlich der Veränderungen deliktrelevanter Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmalen, die nach der Durchführung des BPS oder BPS-R beobachtet werden konnten, liegen bereits einige ermutigende Befunde vor (Wischka, 2013). Es wurde auch Beurteilungen von Praktikern zur Anwendbarkeit des BPS und zu den beobachteten Veränderungen erhoben, die positiv bewertet werden können (Rehder, Wischka & Foppe, 2013).

Darüber hinaus möchte das Institut Praktiker dabei unterstützen, die eigene Arbeit mit dem BPS in ihrer Institution zu evaluieren, indem es Evaluationsinstrumente bereitstellt und Hilfe bei der Auswertung anbietet.

Im Rahmen seiner Möglichkeiten will das IFTR auch mit Forschungseinrichtungen zusammen arbeiten sowie Dissertationen und Studienabschlussarbeiten fördern.

Rehder, U. & Suhling, S. (2006). RRS – Rückfallrisiko bei Sexualstraftätern: Verfahren zur Bestimmung von Rückfallgefahr und Behandlungsnotwenigkeit. Lingen: Kriminalpädagogischer Verlag.
Rehder, U., Wischka, B. & Foppe, E. (2013). Das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS): Entwicklung, Aufbau, Praxis. In B. Wischka, W. Pecher & H. van den Boogaart (Hrsg.). Behandlung von Straftätern: Sozialtherapie, Maßregelvollzug, Sicherungsverwahrung. 2. Aufl., Freiburg: Centaurus, 418-453.
Rehder, U. (2017). RRS-II – Rückfallrisiko bei Sexualstraftätern: Verfahren zur Bestimmung von Rückfallgefahr und Behandlungsnotwenigkeit. Lingen: Kriminalpädagogischer Verlag.
Wischka, B. (2013). Das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS-R): Erfahrungen und Evaluationsergebnisse. Recht & Psychiatrie, 31, 138-145.


Praktiker beurteilen das BPS positiv


Um zu prüfen, ob es Schwierigkeiten bei der Anwendung des BPS gibt und welche Erfahrungen die Anwender bei der Umsetzung des Programms haben, wurde zwischen Ende Mai/Anfang April 2008 an einige Einrichtungen, die mit dem BPS arbeiten, Erhebungsbogen verschickt, mit der Bitte, den Bogen von Mitarbeitern/Innen anonym ausfüllen zu lassen und zurückzusenden. Aus jeder der 22 Einrichtungen gab es mindestens eine Rücksendung; insgesamt waren es 75. Von den rücksendenden Personen arbeiteten 62 in sozialtherapeutischen Einrichtungen, 9 in Behandlungsabteilungen des Strafvollzuges, 1 im „normalen“ Strafvollzug und 3 in der Bewährungshilfe. Von den Rücksendern waren 29 Mitarbeiter des allgemeinen Vollzugsdienstes, 27 Psychologen, 18 Sozialpädagogen (ein „anderer“). 59 Befragte hatten ihre Kenntnis des BPS in einer Fortbildung durch die Autoren erworben, 11 durch Hospitation bei der Durchführung des BPS, drei allein durch das Handbuch und einer in einem Lehrgang der Institution, in der er/sie arbeitet (ein Antwortbogen war ohne Antwort). 21 führten das BPS zum Zeitpunkt der Befragung zum ersten Mal durch, 50 hatten Vorerfahrungen mit der Anwendung des BPS



Ergebnisse

• Die Bedeutung der Theorie für die Anwendung des BPS wurde von der überwiegen¬den Anzahl als eher hoch eingeschätzt. Bei einem Minimum von 0 und einem Maximum von 5 ergab sich ein Mittelwert (M) von 4,0; einer Standardabweichung (s) von 0,7, einem Minimum (Min) von 2 und einem Maximum (Max) von 5. Eine Differenzierung nach Berufen ergab keine Unterschiede. Dies erscheint den BPS-Autoren insofern etwas ungewöhnlich, als die Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen sich gelegentlich kritisch über die Theorielastigkeit äußern – in der Praxis aber dann wohl feststellen, dass Hintergrundwissen bei der Umsetzung des Programms eine Reihe von Vorteilen bringt.

• Die Erlernbarkeit des Programms wurde als durchschnittlich bis eher leicht eingeschätzt. (M: 3,3; s: 0,6; Min: 2; Max: 4). Auch hier ergab sich keine Differenzierung nach Berufen. Nicht verwunderlich ist, dass diejenigen, die an einer BPS-Fortbildung durch die Autoren teilgenommen hatten, kaum Schwierigkeiten mit der Erlernbarkeit angaben.

• Die Umsetzbarkeit des BPS wurde ebenfalls als durchschnittlich bis eher gut angesehen. (M: 3,6; s: 0,6; Min: 2; Max: 5). Erstaunlicherweise gaben Vertreter des AVD weniger Umsetzungsschwierigkeiten an als Psychologen oder Sozialpädagogen (wenn auch nicht signifikant). Hier ist davon auszugehen, dass diejenigen, die bereits Erfahrung in der Durchführung von Behandlung haben, es schwieriger finden, sich auf ein stringentes Behandlungsvorgehen umzustellen als diejenigen, die keine entsprechenden Vorerfahrungen besitzen.

• Die Mitarbeitsbereitschaft der Teilnehmer wurde mit eher gut bewertet. (M: 3,9; s: 0,6: Min: 2; Max: 5). Dies zeigt ganz offensichtlich, dass das Programm die meisten Sexualstraftäter anspricht und sie weder emotional noch intellektuell überfordert – wohl auch, weil der Einstieg in das zweigliedrige Programm (deliktunspezifischer und deliktspezifischer Teil) meist leicht fällt.

• Mit dem gleichen Ergebnis (eher gut) wurde eingestuft, wie nützlich die Teilnehmer das Programm für sich ansehen. (M: 4,1; s: 0,7; Min: 2; Max: 5). Die Teilnehmer arbeiten also nicht nur gerne mit, sondern erkennen auch, dass das BPS ihnen hilft.

• Die durch die Gruppenleitung erkennbare Veränderung der Teilnehmer wurde mit durchschnittlich bis eher gut angesehen. (M: 3,5; s: 1,2; Min: 0; Max: 5). Eine genauere Betrachtung zeigt, dass lediglich diejenigen, die zum Zeitpunkt der Befragung begonnen hatten, das BPS zum ersten Mal durchführten, (noch) keine Veränderungen erkennen können; Anwender, die das BPS mindestens zum zweiten Mal anwenden, sehen eine durchschnittliche bis eher hohe Veränderung durch das Programm (ggf. in Verbindung mit anderen Maßnahmen).

• Das Programm besitzt bei den (anderen) Mitarbeitern der Einrichtungen eine meist gute Akzeptanz. Entsprechende Schwierigkeiten wurden eher in Behandlungsabteilungen des Strafvollzuges und im restlichen Strafvollzug gesehen. (M: 4,1; s: 0,8; Min: 2; Max: 5).

• Das Programm wird meist entweder als wichtiger Bestandteil oder als Schwerpunkt der Behandlung bezeichnet. (M: 3,3; s: 0,6; Min: 2; Max: 5). Insbesondere in den befragten Anwendungsbereichen des „normalen“ Strafvollzuges (hier auch in den Behandlungsabteilungen) sowie in der Bewährungshilfe gibt es offenbar wenig Behandlungsalternativen, während in sozialtherapeutischen Abteilungen oft ein eher breites Spektrum an Angeboten besteht.

• Das BPS unterstützt und erleichtert die Durchführung anderer Behandlungsmaßnahmen eher gut. (M: 3,8; s: 0,8; Min: 0; Max: 5).

iftr-ergebnisse

Rehder, U., Wischka, B. & Foppe, E. (2013). Das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS): Entwicklung, Aufbau, Praxis. In B. Wischka, W. Pecher & H. van den Boogaart (Hrsg.). Behandlung von Straftätern: Sozialtherapie, Maßregelvollzug, Sicherungsverwahrung. 2. Aufl. Freiburg: Centau-rus, 418-453.

Praktiker, die mit Sexualstraftätern arbeiten, benötigen Sicherheit im Behandlungsteam und geeignete institutionelle Rahmenbedingungen:


Praktiker aus dem Justizvollzug, aus den sozialtherapeutischen Einrichtungen, aus dem Maßregelvollzug oder aus ambulanten Einrichtungen haben verständlicherweise Befürchtungen, die mit dieser Tätergruppe verbunden sind und Erwartungen an ihre Kollegen und Vorgesetzten, um den Anforderungen dieser schwierigen Arbeit gerecht werden zu können. Dies ist in Fortbildungsseminaren immer wieder deutlich geworden. Deshalb haben wir seit ca. 10 Jahren diese Thematik in das Fortbildungscurriculum mit dem Ziel aufgenommen, Hilfestellungen dabei zu geben, besser für die eigene Psychohygiene sorgen zu können und innerhalb der eigenen Einrichtung für geeignete Rahmenbedingungen zu werben.

Die Erfahrungen, die wir dabei mit den Teilnehmenden in den Fortbildungsseminaren gemacht haben, haben wir ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Auswertung stehen als Download bereit: Behandlung von Sexualstraftätern: Befürchtungen und Erwartungen von künftigen Gruppenleitern eines kognitiv behavioralen Behandlungsprogramms.

Das IFTR möchte im Rahmen seiner Möglichkeiten weitere Forschungen fördern. Z.Z werden folgende Projekte verfolgt:


• Die Entwicklung und Normierung eines Fragebogens zur Messung deliktrelevanter Einstellungen bei Sexualstraftätern auf der Basis der bisherigen Untersuchungsbefunde mit Erhebungsinstrumenten die bereits zur Evaluation der Behandlung von Sexualstraftätern in England und Wales eingesetzt worden sind.

• Eine Fortsetzung der Erhebung von Befunden zur Praxistauglichkeit des BPS mit dem Ziel, die Ergebnisse bei Weiterentwicklungen der Programms einbeziehen zu können.

• Die Untersuchung von Ängsten und Erwartungen von Praktikern, die sich auf die Arbeit mit Sexualstraftätern einlassen, mit dem Ziel Folgerungen für die Mitarbeiterfortbildung und Erfordernisse für die Supervision dieser Berufstätigkeit zu identifizieren.

• Die Erweiterung des Prognoseinstruments RRS (Rehder, U. & Suhling, S. 2006) zur Beurteilung des Rückfallrisikos bei Sexualstraftätern (RRS-II; Rehder, 2019).

Gruppentherapie-Verlaufsbogen (GT-VB)

Nicht immer fällt es leicht, die Veränderung von Teilnehmern nach Durchlaufen einer Gruppenmaßnahme aus der Erinnerung heraus zu beschreiben. Dies trifft besonders dann zu, wenn die Gruppe über einen längeren Zeitraum lief. Um den Entwicklungsverlauf von Tätern, die an Gruppenmaßnahmen teilnehmen, erfassen zu können, haben Ulrich Rehder, Peter Schulz und Karin Wittmann 1997 einen Beurteilungsbogen entwickelt. Dieser Gruppentherapie-Verlaufsbogen (GT—VB) erfasst in den Kategorien (1) Voraussetzung für Veränderungen (2) Therapeutische Grundziele (3) Deliktbezogene Einsichten und (4) Entwicklung/Aufbau zwischenmenschlicher und sozialer Fähigkeiten 18 Variablen, mit denen sich der Wandel des Verhaltens in der Gruppe auf einer sechsstufigen Skala beschreiben lässt. Wird der Bogen in regelmäßigen Abständen ausgefüllt, lassen sich Verhaltensmodifikationen eines Teilnehmers am Ende der Maßnahme präzise angeben. Dieses Verfahren ist vor allem für Gruppen anwendbar, in denen (auch) die Delikte angesprochen werden. Da die Interrater-Reliabilität nicht gesichert ist, sollte der GT-VB immer von derselben Person ausgefüllt werden, vor allem wenn der Bogen für Forschungszwecke eingesetzt wird.

Auf der Mitgliederseite des IFTR lassen sich sowohl der GT VB als auch dessen Beschreibung (Veränderungsbeurteilung mit dem GT-VB) herunterladen.